Therapie mit autologem Blutplasma (Teil 2)

Nach allgemeingültiger Auffassung sind die therapeutischen Eigenschaften von Plasma größtenteils auf die Eigenschaften von Wachstumsfaktoren und Zytokinen zurückzuführen, die in Granula von Blutplättchen enthalten sind. Diese werden bei Aktivierung aus den Granula freigesetzt und verändern die perizelluläre Mikroumgebung. Die wichtigsten davon sind der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), der Platelet Derived Growth Factor (PDGF), der Hepatocyte Growth Factor (HGF), die Insulin-like Growth Factors 1 und 2 (IGF-1 und -2) sowie die Matrix-Metalloproteinasen-2 und -9 (MMP-2 und -9) und Interleukin 8 (Il-8). Ihre Eigenschaften und der Mechanismus ihrer Wirkung auf das Gewebe werden wir im nächsten Kapitel näher betrachten.

Jedoch muss insbesondere bei der Wundheilung die Tatsache in Erwägung gezogen werden, dass eine günstige Mikroumgebung in der Wunde und mechanische Reize die Zelldifferenzierung und Reparaturprozesse im Gewebe von alleine beeinflussen, unabhängig von der An- oder Abwesenheit stimulierender Wachstumsfaktoren.

Manche Autoren, die Ähnlichkeiten zwischen der PRP-Therapie und der Proliferationstherapie sehen, erwähnen, dass dem Wirkungsmechanismus von autologem Plasma nicht nur die Fähigkeit der Blutplättchen zugrunde liegt, Wachstumsfaktoren direkt an die Verletzungsstelle zu befördern, sondern auch die Anregung von Heilungs- und Wiederherstellungsprozessen durch die lokale Einführung eines reizenden Stoffes und folglich auch die Stimulation von Entzündungen.

Seit 2008 erschienen Veröffentlichungen, in denen hervorgehoben wird, dass nicht nur Blutplättchen, sondern auch Leukozyten eine bedeutende Rolle für das therapeutische Potenzial von Plasma spielen. Beim Zentrifugieren von Vollblut werden Leukozyten in einer Schicht namens Buffy Coat (auch Leukozytenfilm) angereichert. Blutplättchen sammeln sich in der Regel direkt auf seiner Oberfläche an. Es wurde festgestellt, dass Leukozyten die Expression von Kollagen Typ III stimulieren und gleichzeitig die Expression von Kollagen Typ I verringern, was zur Entwicklung von Fibrose führen kann. Gleichzeitig wurde nachgewiesen, dass Leukozyten einen Schutz vor Infektionen bieten und helfen, die Vermehrung von Mikroorganismen zu unterdrücken. Auf diesem Weg entstand genauso wie im Falle von Blutplättchen die Frage nach der optimalen Konzentration von Leukozyten im Plasma, die jedoch bis heute immer noch offenbleibt. Es wurde festgestellt, dass die Anwesenheit von Leukozyten zu einer Veränderung des Expressionsprofils von Wachstumsfaktoren in PRP führt. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, PRP mit einer erheblichen Leukozyten-Anzahl als ein separates Heilmittel anzusehen.

Da, wie oben erwähnt, kein Konsens sowohl hinsichtlich der PRP-Herstellung (Geschwindigkeit und Dauer der Zentrifugation, Verwendung von Antikoagulanzien), seiner Zusammensetzung (Blutplättchen, Leukozyten, Wachstumsfaktoren) als auch Anwendungsschemata erzielt werden konnte, wurden zwecks der Standardisierung der Terminologie mehrere Klassifizierungen von PRP-Präparaten vorgeschlagen.

Im Jahr 2009 unternahmen Ehrenfest et al. den Versuch, PRP-Präparate anhand ihres Gehalts an Leukozyten und ihrer Merkmale der Fibrinstruktur zu klassifizieren und schlugen ein System vor, das vier Gruppen umfasste: reines PRP (pure PRP oder P-PRP), leukozyten- und plättchenreiches Plasma (L-PRP), reines PRF (P-PRF) und leukozyten- und plättchenreiches Fibrin (L-PRF). Es wird vorausgesetzt, dass diese Präparate über unterschiedliche Wirkungen verfügen und zur Behandlung unterschiedlicher pathologischer Zustände eingesetzt werden sollen. Daher muss bei der Auswahl eines Präparats der Zweck seiner Anwendung berücksichtigt werden.

Im Jahr 2012 schlugen Mishra et al. eine weitere Klassifizierung vor, die auf zwei Merkmalen basiert:

  1. Vorhandensein oder Fehlen von Leukozyten;
  2. Aktivierung oder Inaktivierung von PRP.

Das vorgeschlagene Klassifizierungssystem umfasste ebenfalls vier Gruppen von PRP-Präparaten: leukozytenreiches PRP (L-PRP, flüssige Form), L-PRP-Gel, reines flüssiges PRP (P-PRP) und P-PRP-Gel. Es unterschied sich von der vorherigen Klassifikation nur durch das Vorhandensein eines weiteren Parameters – einer Einschätzung der Thrombozytenkonzentration (Typ A – die Thrombozytenkonzentration in PRP ist fünfmal oder mehr höher als im Vollblut, Typ B – die Konzentration der Blutplättchen im PRP ist weniger als fünfmal höher als der Wert im Vollblut). Und dieser Parameter scheint sehr fragwürdig zu sein, da viele Forscher in den vergangenen Jahren das Konzept der Thrombozytenkonzentration aus einem durchaus nachvollziehbaren Grund aufgegeben haben: Die Thrombozytenkonzentration hängt nur von der Menge an flüssigem Serum ab, die zur Aufrechterhaltung der Thrombozyten in Suspension benutzt wird. Die Serummenge variiert erheblich je nach Protokoll und Verwendungszweck des resultierenden Präparats und hat keinen Einfluss auf die erwartete Wirkung. Die Idee einer absoluten Thrombozytenzahl scheint logischer zu sein, obgleich in den meisten Veröffentlichungen keinen eindeutigen und reproduzierbaren Einfluss dieses Parameters auf die klinischen Ergebnisse nachgewiesen werden konnte.

Die Thrombozytenzahl (absolute Zahl) wird als einer der Klassifizierungsparameter in einem anderen System namens PAW (Platelets, Activation, White Cells) genutzt, das zur Vereinheitlichung und zum Vergleich der in der Literatur beschriebenen Ergebnisse vorgeschlagen wurde. Zusätzlich zu den genannten Parametern werden in diesem System die Art der Thrombozytenaktivierung und das Vorhandensein von Leukozyten bewertet. Dieses System hat, wie auch die vorangegangenen, seine Einschränkungen und lässt nur Präparate in Betracht nehmen, die der PRP-„Familie“ angehören. Im Großen und Ganzen ist es der von Mishra et al. vorgeschlagenen Klassifizierung sehr ähnlich. Zugleich bleibt die Thrombozytenzahl als Denkansatz jedoch Gegenstand intensiver Debatten, da es bisher keine einzige Veröffentlichung gibt, die es uns ermöglichen würde, die optimale Thrombozytenzahl festzulegen, falls diese Betrachtungsweise überhaupt ihre Daseinsberechtigung angesichts der komplexen Zusammensetzung solcher Multikomponent-Substanzen wie die Thrombozytenkonzentrate hat.

Leider wird keine dieser Klassifizierungen durch ausreichende empirische Beweise gestützt. Darüber hinaus haben die Autoren dieser Systeme das Endvolumen des Präparats, das Vorhandensein oder Fehlen roter Blutkörperchen im PRP und den Thrombozytenanteil im Endvolumen des resultierenden PRP nicht berücksichtigt. Es ist nicht verwunderlich, dass keine dieser Systeme mehrheitlich akzeptiert wurden.

Im Jahr 2016 entwickelten Magalon et al. die DEPA-Klassifizierung (Dose, Efficiency, Purity, Activation), im Rahmen derer die Anzahl der mit verschiedenen Systemen gewonnenen Blutplättchen, die Reinheit des resultierenden Präparats und die Blutplättchenaktivierung vor der Verabreichung des Präparats berücksichtigt wurde. Die DEPA-Klassifizierung basiert auf vier verschiedenen Kriterien:

  1. Die verabreichte Thrombozytendosis, die durch Multiplikation der Thrombozytenkonzentration im PRP mit dem resultierenden PRP-Volumen bestimmt wurde. Die verabreichte Dosis (gemessen in Milliarden oder Millionen Blutplättchen) kann wie folgt bewertet werden: a) sehr hohe (>5 Milliarden); b) hohe (von 3 bis 5 Milliarden); c) mittlere (von 1 bis 3 Milliarden); d) niedrige (<1 Milliarde).
  2. Die Leistung der Ausrüstung oder des Systems, mit denen PRP gewonnen wird. Sie wird durch den Prozentsatz der Blutplättchen bestimmt, die bei der PRP-Herstellung aus dem Vollblut gewonnen werden. Es wurden vier Kategorien festgelegt: a) hocheffiziente Ausrüstung (Grad der Thrombozytenextraktion >90 %); b) Ausrüstung mit mittlerer Effizienz (Grad der Thrombozytenextraktion zwischen 70 und 90 %); c) Ausrüstung mit geringer Effizienz (Grad der Thrombozytenextraktion zwischen 30 und 70 %); d) ineffiziente Ausrüstung (Grad der Thrombozytenextraktion <30 %).
  3. Die Reinheit des gewonnenen PRP: Sie korreliert mit dem relativen Gehalt an Blutplättchen, Leukozyten und roten Blutkörperchen im resultierenden PRP. Die Präparate werden beschrieben als: a) sehr reines PRP (Der Blutplättchenanteil im PRP beträgt im Vergleich zu Erythrozyten und Leukozyten >90 %); b) reines PRP (Blutplättchenanteil – von 70 bis 90 %); c) heterogenes PRP (Blutplättchenanteil – von 30 bis 70 %); d) Vollblut-PRP (Blutplättchenanteil – <30 %).
  4. Aktivierungsschritt: Das Kriterium sagt aus, ob eine exogene blutgerinnende Substanz zur Aktivierung von Blutplättchen verwendet wird (z. B. autologes Thrombin oder Calciumchlorid).

Die letzte Klassifizierung scheint im Vergleich zu den vorherigen vollständiger zu sein. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein Arzt die Anzahl der Plasmabestandteile selbständig bestimmen kann. Daher muss entweder an jedem Medizinprodukt, das für PRP-Gewinnung bestimmt ist, eine entsprechende Vorrichtung eingebaut werden, oder das Klassifizierungssystem wird standardmäßig unanwendbar.